Maidan, ukrainische Revolution 2014 wird in der Ukraine als Revolution der Würde genannt

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Als Maidan bzw. Euromaidan oder ukrainische Revolution 2014, von den Ukrainern auch als Revolution der Würde genannt, werden über mehrere Monate andauernde Massenproteste im Herbst 2013 und Winter 2014 in Kiew und anderen Städten der Ukraine genannt, die zum Umsturz der Regierung und vorgezogenen Wahlen des Präsidenten im Mai 2014 und vorgezogenen Wahlen des Parlamentes im November 2014 führten.

 

Meilensteine des Maidans

21. November 2013 – Beginn der Proteste in Kiew

Ukrainische Regierung (damaligen Präsident der Ukraine Wiktor Janukowytsch, Premierminister Mykola Asarow, Chef des Präsidialamtes der Ukraine Sergiy Ljowochkin) gibt am 21 November 2013 bekannt, den Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht zu unterzeichnen, obwohl die Vorbereitungen dazu vorher aktiv geführt wurden.

Gegen 22:00 Uhr haben sich ca. 1.500 Leute auf dem Platz der Unabhängigkeit, kurz Maidan genannt, gesammelt, um gegen diese Entscheidung zu protestiert. Die Proteste wurden mit Hilfe von Sozialnetzen organisiert.

22. November 2013 – Genau vor 9 Jahren begann die Orangene Revolution

Abends haben sich am Maidan ca. 3 000 – 5 000 Menschen versammelt.

Der 22 November 2013 war sowohl der Tag der Erinnerung an die Opfer des Hungersnots und politischen Repressionen (der vierte Sonntag im November) als auch der Tag, an dem genau vor 9 Jahren die Orangene Revolution auf dem Maidan begann. Am 22. November 2004 kamen mehr als 100.000 Menschen auf den Maidan und protestierten gegen den offensichtlichen Wahlbetrug bei den Präsidentschaftswahlen 2004.

23. November 2013 – Tag der Erinnerung an die Opfer des Hungersnots und politischen Repressionen

Der 23. November 2013 war der Tag der Erinnerung an die Opfer des Hungersnots und politischen Repressionen (“День пам’яті жертв голодоморів та політичних репресій”, der vierte Samstag im November). Um 16:00 Uhr findet die nationale Schweigemute statt. Danach startet die Aktion “Zünde die Kerze an”. Im Rahmen dieser Aktion können alle freiwilligen die Kerzen entweder an den vielzähligen Denkmälen für den Opfer des Hungersnots oder auch in den Fenstern zu Hause aufstellen.

24.November 2013 – Auf dem Maidan protestieren ca. 100 000 Menschen (nach Polizeiangaben bis zu 60.000).

26. November 2013 – ca. 1.500 Studenten organisieren den ersten Streik, gehen in mehreren Kolonnen durch den Stadt und treffen sich auf dem Maidan.

27. November 2013 – ca. 15.000 Studenten treffen sich neben dem Palast der Präsidenten, um die Petition mit der Bitte den EU-Assoziirungsabkommen zu unterschrieben zu übergeben und gehen anschließen zum Maidan.

28. November 2013 – ein Tag vor dem Gipfeltreffen in Vilnius streiken die Studenten den ganzen Tag und demonstireren auf dem Maidan. Es startet ein Protest mit den Autos, sogenannter Automaidan.

29. November 2013 – Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft (Teilprojekt der Europäischen Nachbarschaftspolitik) in Vilnius. Der EU-Assoziirungsabkommen wird von der Ukraine nicht unterschrieben.

 

 Gewalt gegen Studenten

30. November 2013 -Berkut vertreibt brutal die protestierenden Studenten

In der Nacht von 29. auf 30. November 2013, Freitag auf Samstag (gegen 4 Uhr früh am 30.11.2013), werden alle auf dem Maidan verbliebene Personen (ca. 400), darunter viele junge Menschen im Alter von 17-18-19  Jahren, gewaltig vertrieben. Die Einheit Berkut bestand aus ca. 2000  Personen, die besonders grob vorgingen (Video).

Um die 80 Personen wurden verletzt. Einige junge Leute haben vergebens versucht Ihre Eltern per Handy zu erreichen. Mobilfunknetz war nach Angaben von Journalisten kurz vor dem Berkut-Einsatz plötzlich nicht mehr funktionsfähig. Die Protestierenden haben in der nächstgelegenen Kirche den Schutz gesucht (Video).

Als die Nachricht über den Einsatz von Berkut die Öffentlichkeit erreiche, wurde der offizieller Grund für die Notwendigkeit des Einsatzes bekannt gegeben: auf dem Maidan sollte Tannenbaum aufgestellt werden. Nicht nur der brutaler Gewaltakt, sondern auch diese Lügen waren ein großer Schock für die Gesellschaft.

Präsident der Ukraine Wiktor Janukowytsch und Premierminister Mykola Asarow haben noch am gleichen Tag die Verantwortung für den Berkuteinsatz von sich gewiesen: Die Polizei hat eigentlich nicht die Studenten, sondern angeblich die Hooligans vertrieben.

1. Dezember 2013 – Kiewer Rathaus wird von der Opposition besetzt.

Es demonstrieren ca. 500.000 – 800.000 Menschen. Auf dem Maidan wird Zeltstadt aufgebaut. Es finden große Auseinandersetzungen vor dem Administrationsgebäude des Präsidenten statt. Es gibt Informationen, dass viele von diesen Auseinandersetzungen nicht durch die Protestierenden, sondern durch die Provokateure, genannt “Tituschki“, organisiert werden. Diese sollen von der Regierung und regierungsfreundlichen Parteien und Gruppierungen bezahlt sein. Diese sogenannten “freiwilligen Helfer der Polizei” sollen täglich 200 Hrywnia (ukr. Währung) bekommen haben (“daily pay of 200 hryvnia”).

6. Dezember 2013 – Janukowitsch trifft sich in Sotchi mit Putin.

8. Dezember 2013 – “Marsch der Millionen”, Lenin-Statue in Kiew wird gesturtzt

Die Ereignisse werden vom ersten Tag an von den Journalisten des Fernsehsender “Gromadske.TV (ukr. “Gesellschaft. TV”, engl. “Public TV”) begleitet. Die Reportagen werden live übertragen.

Die Proteste halten an. Zelten auf dem Maidan sind ständig bewohnt und die Protestierenden werden von der Bevölkerung aktiv mit Essen, Kleidung und Zigaretten unterstützt. Die Protestierende aus den anderen Städten stellen Ihre eigenen Zelte auf und beschriften diese. Mit dabei sind fast alle Städte aus der ganzen Ukraine, auch aus der Krim. Ukrainische Nationalhymne wird zum Maidan-Hit Nummer eins (Video).

10. und 11. Dezember 2013 – Victoria Nuland und Catherine Ashton besuchen den Maidan.

“Es gibt im Westen kein Fest für Europa, wie das auf dem Maidan” (Video)
Rebecca Harms (Bündnis 90/Die Grünen) berichtet über ihren Besuch in Kiew (Plenarrede im Europäischen Parlament, Straßburg, 10.12.2013):

14. Dezember 2013 – Stellvertretender Chef des Sicherheitsrates Wladimir Siwkowitsch und Bürgermeister von Kiew Alexander Popow werden wegen der gewaltsamen Vorgehens gegen Demonstranten entlassen. Die Untersuchung wurde von dem Generalstaatsanwalt Wiktor Pschonka geleitet.

Die Proteste halten an und verlieren nicht an Stärke. Die Stimmung auf dem Maidan ist festlich, es treten die Musikgroups auf und es wird oft die Hymne der Ukraine (Video) gesungen.

Das Lied der Gruppe Okean Elzy (Ukrainian: Океан Ельзи, engl. Elza’s Ocean, Frontmann Swjatoslaw Wakartschuk) mit dem Titel „Wach auf, meine Liebe, steh auf!“ (Video, ukr. “Vstavaj, myla moja, vstavaj”) wird zum Revolutionshymne. Die Gruppe trifft am 14. Dezember cor 250 000 Menschen auf dem Maidan auf. Die Phrase der Gruppe „Alles beginnt nur“ wird zum geflügelten Wort.

Slogan “Slava Ukrayini!” (“Glory to Ukraine!“) und Antwort darauf “Heroyam slava!” (“Glory to the heroes!“) wird Slogan von Demonstranten.

 

Sylvester 2013 – Feierlichkeiten und Kundgebung

Silvester 2013 – ca. 200.000 Demonstranten versammelten sich in der Silvesternacht in Kiew, um gegen die Staatsführung von Präsident Viktor Janukowitsch zu protestieren (Video). Silvesterfeier wird eine Mischung aus den Feierlichkeiten und einer Kundgebung.

 

Anti-Maidan-Gesetzte vom 16. Januar 2013

14. Januar 2014 – es werden die Rufe nach der Rückkehr zur der alten Konstitution in der Fassung von 8.12.2004 ausgerufen, die erlaubt die Bildung der Regierung nicht durch Präsident, sondern durch den Parlament; zusätzlich erlaubt diese Fassung der Konstitution die neuen Wahlen von Präsident und Parlament.

16. Januar 2014 – Parlament verabschiedet Gesetzte, die Bürgerrechte strak beschneiden und dem Staat mehr Freiheiten bei der Verfolgung von den Demonstranten geben würden.

Die Gesetze wurden im Parlament nicht diskutiert und als eine Liste per Hand abgestimmt. Das übliche elektronische Wahl-System wurde nicht verwendet. Das Ziel war die Schaffung von gesetzlicher Grundlage für die Kriminalisierung von Opposition und Bürgerrechtler. Viele Elemente ähnelten den russischen Gesetzen (z.B. extremistische Tätigkeit, Auslandsagent). Die Verabschiedung von Gesetzen war nicht geplant und überraschte die Mehrheit von Parlamentarien.

Als Antwort auf die Verabschiedung von den Anti-Maidan Gesetzen haben mehr als hundert Bürgerorganisationen zu sofortigen und massiven Widerstand gegen den Verbrechern an der Macht ausgerufen.

 

Proteste in der Gruschewskaja Straße

19. Januar 2014 – Die Forderungen, die Gesetze vom 16. Januar zu annullieren, führen zu den neuen Protestwellen.

Kolonnen von Protestierenden marschieren zum Parlament in der Hrushevskoho Street (dt. Gruschewskaja Straße, engl. Grushevsky Street) und treffen dort auf die Berkut-Gruppen. Die Auseinandersetzungen halten mehrere Tage, enden mit mehreren verbrannten Berkut-Busen und mehr als hunderten Verletzten. Es wurden Gummigeschosse und Wasserwerfer eingesetzt.

20. Januar 2014 – Die Regierung beschließt die Gesetze nicht zu veröffentlichen.

Damit verlieren sie ihre Gültigkeit.

21. Januar 2014 – Die Auseinandersetzungen dauern weiter tag und nachts an.

22. Januar 2014 – Präsident Janukowytsch trifft sich mit der Opposition.

Berkut attakiert die Protestierenden, es sterben mehrere Personen. Es wurden keine Gummi-, sondern die echten Geschosse gefunden.  Runder Tisch mit der Opposition (einer davon ist Vitalij Klitschko) dauert drei Stunden und wird von der Opposition als erfolglos eingestuft. Opposition verkündet in 24 Stunden den Sturm, wenn keine Änderungen seitens Regierung stattfinden.

23. Januar 2014 – Zweiter runder Tisch zwischen der Regierung und Opposition.

Runder Tisch dauert fünf Stunden. Die Vertreter der Opposition kehren zurück und besprechen die Ergebnisse mit dem Majdan. Die Protestierenden sind sich einig, dass die friedlichen Methoden nichts weiter bringen und beschließen aus den Verhandlungen auszusteigen.

25. Januar 2014 – Die Regierung verkündet fünf Vorschläge für die Lösung des Konfliktes.

Vorschläge der Regierung: Änderung der Gesetzen von 16. Januar 2014, Wiederkehr zu der Konstitution von 2004, Amnestie für alle Protestierende, Bildung einer Wahlkommission, Ausarbeitung der Möglichkeiten für die Freilassung von Festgenommenen durch die Justiz. In Gegensatz dazu erwartete die Regierung sofortige Räumung von Maidan und Gruschewskaja Straße. Die Vorschläge werden von Maidan ausgepfiffen und nicht aufgenommen. Zur diesem Zeitpunkt wurden bereits ca. 50 Personen getötet und ca. 1500 verletzt.

27. Januar 2014 – Regierung beschließt die Berkut-Einheit aufzustocken.

28. Januar 2014 – Neun von elf Gesetzen von 16. Januar werden zurückgenommen.

Premierminister Mykola Asarow tritt zurück.

29. Januar 2014 – Der versprochener Gesetzt über Amnestie von friedlich demonstrierenden tritt in Kraft.

 

Blutiger Februar 2014, Himmlische Hundert

18. Februar 2014 – An diesem Tag war im Parlament die Sitzung bezüglich der Änderungen in der Konstitution geplant. Die Protestierenden kamen zum Parlamentsgebäude und waren dort durch Berkut und Tituschki stark mit Feuerwaffen attackiert.

Abends zwischen 19 und 23 Uhr wird der Oppositions-Fernsehersender „5.Kanal“ abgeschaltet.

Um 20:00 Uhr beginnt der Sturm des Maidanes durch Spezialeinheiten Berkut mit Hilfe von Schützenpanzerwagen. Der Sturm dauerte die ganze Nacht.

19. Februar 2014 –Die Regierung verkündet, dass während der Antiterrormaßnahmen der Einsatz von Feuerwaffen erlaubt ist und dass die Vorbereitungen zu der Durchführung von diesen Antiterrormaßnahmen begonnen haben.

Die Polizei stürmt erneut das Zeltlager auf dem Maidan.

20. Februar 20014 – Blutiger Donnerstag

Gegen 9:00 Uhr hat Maidan die Gegenattake begonnen. Seitens Regierung wurden offiziell die Feuerwaffen eingesetzt. Besonders viele harte und blutige Kämpfe fanden auf der Institutskaja Straße statt, wo mindestens 50-80 Personen fielen.

Abends haben die Verhandlungen zwischen der Opposition mit den europäischen Ministern und der Regierung begonnen. Janukowytsch war einverstanden mit der Durchführung von vorgezogenen Präsidentenwahlen nicht später als im Dezember 2014. In Gegenzug dazu sollen die Protestierenden Ihre Waffen innerhalb von 24 Stunden niederlegen.

Dieser Vorschlag war von Maidan mit einer Empörung abgelehnt. Anschließend stellte Maidan den Ultimatum: wenn Janukowytsch am nächsten Tag gegen 10:00 Uhr nicht zurücktritt, beginnt der Sturm. Abends im Parlament wurde beschlossen die Antiterrormaßnahmen zu beenden und die Spezialkräfte zurückzuziehen.

21. Februar 2014 – Parlament beschließt die Rückkehr zu Konstitution von 2004.

Es wurde ein Gesetzt verabschiedet, das erlaubt hatte, Julia Timoschenko frei zu entlassen.

22. Februar 2014 – Parlament beschließt den Abtritt des Präsidenten der Ukraine Wiktor Janukowytsch

und weiteren hohen Regierungsbeamten. Es wird ein Gesetz zur Rückkehr zu Konstitution von 2004 verabschiedet. Alexander Turchinov wird der neuer Speaker im Parlament. Julia Timoschenko wird frei gelassen. Es wird bekannt, dass Wiktor Janukowytsch Kiew verlassen hat. Opposition fordert die Neuwahlen bis zum 25. Mai 2014.

Die gefallenen Bürger werden ab nun die “himmlische Hundert” genannt. Es ist immer noch unklar, wer auf die Protestierende geschossen hat (wie hier z.B. Neue Zürsche Zeitung). Der Verdacht, dass Rechte Sektor beteiligt war, wurde auch durch den ukrainischen Wissenschaftler Iwan Katchanovski geäußert (s. auch Bericht darüber bei Heise Online Telepolis).

 

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